Baum des Jahres 2019: Flatter-Ulme

Kurzer Steckbrief (erstellt im Feb. 2019, Ersteller: Johann Heindel, Text basiert auf der Internet-Veröffentlichung der Dr. Silvius Wodarz Stiftung zum „Baum des Jahres 2019“)

In Mitteleuropa sind (bzw. waren) drei Ulmen-Arten heimisch: Berg-Ulme, Feld-Ulme und Flatter-Ulme. Die beiden erst-genannten Arten wurden durch die Holländische Ulmenkrankheit stark dezimiert, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts von einem aus Ost-Asien eingeschleppten Pilz verursacht wurde. In den 1960-er Jahren, als man davon ausging, dass die Epidemie weitgehend abgeklungen war, kehrten nochmals stärker infektiöse Pilzvarianten nach Mitteleuropa zurück. Es gibt deshalb heute kaum noch ältere Exemplare dieser beiden Ulmenarten. Lediglich die Flatter-Ulme hat sich als weitgehend immun gegen diese Krankheit erwiesen. Trotzdem gilt sie in Deutschland in sieben Bundesländern als stark gefährdet. Grund ist der starke Verlust ihrer natürlichen Lebensräume (feuchte Bruch- und Auenwälder in Flussniederungen) in den vergangenen zwei Jahrhunderten.

Den amüsant klingenden Namen verdankt die Flatter-Ulme ihren kleinen, in Büscheln an den Zweigen hängenden Blüten und Früchten. Diese sind, anders als bei den anderen beiden heimischen Ulmenarten, deutlich lang gestielt und flattern deshalb im Wind. Diese Merkmale können am einfachsten im Frühjahr – von März bis Mai – erkannt werden, wenn die Flatter-Ulme noch vor dem Blattaustrieb blüht und während des Blattaustriebs fruchtet. Denn die in Büscheln an den Zweigen hängenden Blüten und Früchte sitzen auf dünnen, bis zu vier Zentimeter langen Stielen und können locker im Wind flattern.

Der Blattaustrieb erfolgt ab etwa Mitte April. Sehr spezifisch sind auch die auffälligen, unter europäischen Baumarten einmaligen Brettwurzeln. Die Flatter-Ulme bildet sie besonders ausgeprägt auf flachgründigen, vor allem aber auf nassen Böden zur Erhöhung ihrer Standfestigkeit aus. Diese ausladenden Wurzelanläufe dienen aber möglicherweise auch zur besseren Sauerstoffversorgung der Wurzeln bei Hochwasser.

Blüten und somit auch Früchte werden erst ab einem Alter von ca. 35 bis 40 Jahren ausgebildet. Die Flatter-Ulme erreicht Wuchshöhen von über 30 m, unter günstigen Bedingungen auch 40 m und mehr; m Einzelstand bildet sie meist eine weit ausladende Krone.

Das älteste in Deutschland existierende Exemplar steht im Nordwesten Brandenburgs, das Alter wird auf 400 – 500 Jahre geschätzt, der Stammumfang beträgt beinahe 10 m, der Durchmesser somit über 3 m.

Das Ulmenholz wird in der Holzbranche meist „Rüster“ genannt. Zur Möbelherstellung wird wegen der schöneren Optik (Kontrast von Kern- zu Splintholz) vor allem das Holz der Berg- und Feld-Ulmen verwendet. Das Holz der Flatter-Ulme ist sehr schwierig zu verarbeiten (reißt leicht, schwer zu spalten, zäh), wurde deshalb aber gerne für den Bau von Gerätschaften mit hoher mechanischer Belastung benutzt (für Mühlen, Glockenstühle, Räder, Karren, Kutschen, aber auch Skier).

Die Flatter-Ulme hat die letzte Eiszeit vermutlich im Balkan überdauert und ist schon vor 10.000 Jahren nach Mittel- und Osteuropa zurückgekehrt. Ihr heutiges Hauptverbreitungsgebiet ist das kontinentalere Osteuropa. Bei uns in Deutschland ist sie lediglich in den östlichen Bundesländern gut verbreitet – besonders stark in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Im übrigen Deutschland ist sie deutlich seltener und längst nicht überall, am ehesten noch in den größeren Flußtälern anzutreffen – in der Rhein-Main-Ebene, im Oberrheingraben und entlang der Donau.
Ihre westliche Verbreitungsgrenze durchzieht – noch deutlich vor der Küstenline der Nordsee und des Atlantiks – Westdeutschland, Belgien und Frankreich. In Skandinavien, In Großbritannien und im mediterranen Südeuropa kommt die Flatter-Ulme – außer in Albanien – von Natur aus nicht vor.

Auch wenn sie die Nähe des Wassers liebt – die Flatter-Ulme kann auch auf trockeneren Standorten ganz gut zurechtkommen. Schon im Barock gehörten Ulmen zusammen mit den Linden zu den beliebtesten Alleebäumen. In Osteuropa, ihrem Hauptverbreitungsgebiet, ist die Flatter-Ulme auch heute noch ein häufiger Alleenbaum. Aber auch in Nordostdeutschland kann man noch durch so einige Flatter-Ulmenalleen fahren. Die Flatter-Ulme hält auch das trockenwarme Stadtklima gut aus. Und sie ist recht tolerant gegenüber Luftverschmutzung, Streusalz und Bodenverdichtung. Sie könnte daher – auch als Ersatz für die längst weggestorbenen Feld- und Berg-Ulmen – wieder häufiger an Straßen, auf Plätzen und in Parks innerhalb von Städten angepflanzt werden.